Pater Daniel Müssle ofm

Pater Daniel Müssle ist mitarbeitender Priester in der Pfarrei St. Klara und Franziskus Hanau Großkrotzenburg.

Josef, ein Vater, ohne Vater zu sein. eine Predigt von Pater Daniel Müssle ofm

Schwestern und Brüder, Geschwister im Glauben!Josef, ein Vater, ohne ein Vater zu sein.
Zugegeben - eine eher verwirrende, in sich widersprüchlich klingende Formulierung. Was soll das heißen? Dass Josef nicht der leibliche, der biologische Vater von Jesus ist, das ist unsere überlieferte Glaubenstradition. Inwiefern ist er dennoch ein Vater für diesen Jesus? Das möchte ich mit Ihnen erörtern. Denn für die Menschen in Nazareth galt Jesus als Sohn von Maria und Josef. Denn dort haben sie fast drei Jahrzehnte als Familie zusammengelebt. In dieser Familie ist er aufgewachsen. Das heißt aber auch: Diese Familie, diese Eltern haben ihn geprägt, seine Entwicklung beeinflusst, so wie wir alle von unseren Familien und unserer Umgebung geprägt und beeinflusst worden sind. Wir alle wissen, wie wichtig, wie grundlegend gute, gelingende Beziehungen in der Familie, überhaupt in der Erziehung für ein gesundes Wachsen und Reifen zu einer selbstbewussten, menschlichen Persönlichkeit ist. Wir sind alle geworden, so wie wir sind. Und das ist bei Jesus, dem menschgewordenen Gottessohn nicht anders gewesen.
Wie waren die Beziehungen in dieser Familie? Welchen Einfluss hat Josef auf diesen Jesus ausgeübt? Wie hat er seine Vaterrolle gelebt? Welches Vaterbild hat Jesus erlebt und mitgenommen?
Auch für Josef gilt: „Als Vater wird man nicht geboren. Vater wird man, aber nicht einfach dadurch, dass man ein Kind in die Welt setzt, sondern dadurch, dass man sich verantwortungsvoll um es kümmert.“ So hat Papst Franziskus formuliert, als er am 08. Dezember 2020 das Jahr 2021 zum Jahr des heiligen Josef ausrief.
Wie hat Josef seine Vaterrolle gelebt? Welche Lernprozesse hat er durchgemacht? Wie hat sich das auf Jesus ausgewirkt?
Einen zentralen Lernprozess für Josef hat das Evangelium des Matthäus festgehalten, (das wir eben gehört haben).
Sicher war es für ihn eine Katastrophe, als ihm seine Verlobte eröffnete, dass sie schwanger ist. Dass das Kind nicht von ihm sein konnte, war ihm klar. War damit seine Beziehung zu Maria, mit der er ja leben und alt werden wollte, war diese Beziehung damit zu Ende, bevor sie richtig begonnen hatte? Sollte er sie des Ehebruchs anzeigen? Die mögliche Strafe der Steinigung konnte ihren wie auch den Tod ihres Kindes bedeuten. Sollte er sie heimlich entlassen? Beide Möglichkeiten bot ihm das jüdische Gesetz. Oder sollte er Maria vertrauen, sich zu ihr bekennen, sie zu sich nehmen? Er entschied sich für Letzteres –weil er gerecht war, weil ihm die Gerechtigkeit des Gesetzes kalt, hartherzig, unbarmherzig erschien und Maria nicht gerecht wurde. Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit, das entsprach nicht seinem Verständnis und so folgte er der Stimme seines Herzens. Im Grunde hat Jesus später auch nach diesem Maßstab gelebt und gehandelt. Nicht zu richten – sondern aufzurichten – eine neue Chance geben – Das kennzeichnete sein Handeln.
Josef lässt es also nicht zum Bruch der Beziehung kommen, sondern nimmt Maria mit ihrem Kind zu sich, unterstützt die werdende Mutter und ihr Kind, übernimmt Verantwortung, gerade auch bei der Geburt. Diese verantwortungsbewusste Partnerschaft sichert Maria und Jesus den Lebensraum, die Geborgenheit und Sicherheit, die das Kind brauchte, um in der Erfahrung von Liebe und Angenommensein ein Urvertrauen in das Leben zu entwickeln, das auch die Basis für einen ersten Glauben an den Sinn des Lebens und der Liebe ist.
Sicherheit, Geborgenheit, Fürsorge, das erlebt Jesus auch, als Herodes ihm nach dem Leben trachtete. Josef hatte sich entschlossen, Maria und das Kind auf den Esel zu packen und nach Ägypten zu fliehen, dort als Flüchtling zu leben und so jedenfalls dem kleinen Jesus das Leben zu retten. Um in der Fremde zu überleben, den Lebensunterhalt und Schutz zu finden, das erforderte Mut und Tatkraft. Offensichtlich ist Josef das gelungen; so wie er nach dem Tod des Herodes wieder nach Nazareth heimkehrt und mit seiner Hände Arbeit als Bauhandwerker der Familie ein Auskommen verschafft, das den Lebensunterhalt sichert. Hier erlebte Jesus Josef wirklich als verantwortlichen Nähr- und Ziehvater, als Hüter und Kümmerer der Familie.
Und weil im Judentum der Vater auch für die religiöse Erziehung zuständig ist, wird er ihn wohl auch am Shabbat in die Synagoge mitgenommen haben. Von ihm wird er dann auch das jüdische Glaubensbekenntnis gelernt haben, überhaupt das Lesen in der Bibel und das Beten der Psalmen. Anzunehmen ist auch, dass Jesus bei seinem Vater in die Lehre gegangen ist und das Bauhandwerk gelernt und darin gearbeitet hat.
So betrachtet ist Josef alles andere als eine Randfigur im Leben Jesu gewesen, auch wenn er kein Mann großer Worte war. Er war ein Mann der Tat, ein Hüter, Mutmacher, ein Kümmerer, ein Versorger, ein Lebensretter, ein Beschützer voller Gottvertrauen, einer, der anpackt, ohne viel Aufhebens zu machen. Er war da, wo er gebraucht wurde, er hat bereitgestellt, was ein Kind zum Aufwachsen braucht: Ein Zuhause, Sicherheit, ihm Raum lassen, loslassen, Entscheidungsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit zu lernen. Von Josef konnte Jesus auch lernen, wie man an wichtigen Lebenskreuzungen mutige Entscheidungen treffen kann.
Wenn Josef auch nicht der biologische Vater von Jesus ist, so übernimmt er dennoch treu, zuverlässig und liebevoll die Rolle des sozialen Vaters für Jesus. Und er tut das offensichtlich so gut, dass Jesus als Erwachsener Gott als einen Vater begreift, der gerecht, barmherzig und liebevoll ist, der sich um seine Kinder sorgt, sie liebevoll in den Arm nimmt. Vielleicht hat das Beispiel, das konkret erlebte Bild des heiligen Josef Pate gestanden für das Gleichnis vom barmherzigen Vater, der seinem Sohn mit offenen Armen entgegengeht und ihn liebevoll heimholt.
Lassen Sie mich das zusammenfassen mit Zeilen von Angela Boog:
Weggefährte
Josef-
Weggefährte in schwieriger Zeit
besonnen, verlässlich, rechtschaffen
in Wort und Tat fest verwurzelt
im Glauben deiner Väter
Treu und liebevoll
verletzlich und empfindsam
offen für Gottes Zuspruch und Auftrag
In deinen Händen kann wachsen und werden
was Mensch werden will
Uns zur Seite
Heimat und Hort
für Gottes Liebe


Angela Boog


aus: Laacher Messbuch 2021, S. 270


Ja, Heimat und Hort zu sein für Gottes Liebe, wie sehr brauchen das die Menschen von uns, besonders die Kinder, aber auch die Partner, um so selber Menschwerden zu können wie Jesus.
Amen