Pfarrer Christian Sack

Pfarrer Sack ist mitarbeitender Priester in der Pfarrei St. Klara und Franziskus Hanau Großkrotzenburg. Sein Schwerpunkt ist der Kirchort Großkrotzenburg

Christian Sack
Christian Sack

Predigt von Pfarrer Sack zum Thema Josef der Arbeiter (Christsein und Arbeit)

Liebe Schwestern und Brüder,


am 8. Dezember rief Papst Franziskus das Jahr 2021 zum Jahr des hl. Josef aus. Deshalb wollen die Priester unserer Pfarrei aus verschiedenen Blickwinkeln auf den heiligen Josef schauen. Mein Blickwinkel ist: Josef der Arbeiter. In unserer Pfarrei gibt es auch eine Kirche mit dem Namen „Josef der Arbeiter“. Übrigens, keine Kirche, die so heißt, ist älter als ich, denn dieser Titel – und der damit verbundene Gedenktag am 1. Mai – ist erst im Jahr 1955 durch Papst Pius XII feierlich eingeführt worden.
Das offizielle Anliegen war, die menschliche Arbeit zu würdigen und die mit ihren Händen arbeitenden Menschen zu ehren. Das inoffizielle Anliegen war, die katholischen Arbeiter mit Hilfe des hl. Josef davon abzuhalten, von der Kirche zu den Kommunisten überzulaufen. Deshalb ist das Fest bewusst auf den schon fest etablierten Arbeiterkampftag, den 1. Mai gelegt worden.


Josef, der Ziehvater Jesu, hat mit seiner Hände Arbeit den Familienunterhalt bestritten, so wie es unzählige Menschen auch tun. Aber so wie heute war früher Arbeit nicht. Vor 150 Jahren spielte sich das normale Leben in der Landwirtschaft ab, eingebettet in die Natur und abhängig von den Tages- und Jahreszeiten. Mitte des 19. Jahrhunderts kam dann die Industrialisierung. Seitdem wurde der Rhythmus des Lebens nicht mehr von der Schöpfung geprägt, sondern vom Takt der Maschinen. Die Maschinen waren schnell und brauchten deshalb eine große Anzahl von Menschen, die sie bedienten, ja, bedienten. Vor der Industrialisierung hatten die Menschen Werkzeuge, die sie benutzten und die ihnen bei der Arbeit gute Dienste erwiesen. Mit den Maschinen wurde das Verhältnis umgekehrt: Nicht die Menschen stellten jetzt etwas her, sondern die Maschinen, und die Menschen, die einstige Krone der Schöpfung, wurden zu Bediensteten, die eine Maschine aus kaltem Stahl bedienen mussten. Was für ein Abstieg, was für eine Demütigung! Die Menschen fühlten sich ihrer Würde beraubt, ihrer Freiheit, ihres Grunds und Bodens und ihrer Gesundheit.
Das ganze soziale Gefüge wurde in einer bisher nicht gekannten Weise umgekrempelt. Weil Menschen zu den Orten ziehen mussten, wo die Fabriken standen, wurden die Familienverbände auseinandergerissen. Es entstand als neue Gesellschaftsform die Kleinfamilie: Vater, Mutter, Kinder. Keine Großeltern, keine Geschwister, Onkel oder Tanten, die sich gegenseitig stützen konnten. Man war auf sich allein gestellt und versuchte zu überleben in kleinen Behausungen und mit kargem Lohn.
Not und Einsamkeit führten zu neuen Kontaktformen. An die Stelle der Großfamilie trat die Solidargemeinschaft der Arbeiterschaft. Auf katholischer Ebene entstanden Josefsvereine, wo man sich unter dem Schutz des Heiligen traf, austauschte, gegenseitig half und miteinander feierte. Bei der schweren Arbeit in den muffigen Fabrikhallen dachte man an den hl. Josef: er, der Arbeiter, einer von uns. Durch Josef fühlte man sich ein wenig dem Himmel näher und nicht ganz vergessen. Die Arbeit des frühen Industriezeitalters war entwürdigend, aber der hl. Josef gab den Arbeitern ein Stück dieser Würde wieder zurück.
Allmählich änderte sich die Arbeitssituation zugunsten der Arbeiterschaft. Die Arbeiter schlossen sich zusammen und erkämpften sich Rechte, ausreichenden Lohn, Arbeitssicherheit und Freizeit. Es gab Raum, in dem man sich wieder auf seine Würde besinnen und über den Wert der Arbeit nachdenken konnte. So rückte nicht nur der hl. Josef, sondern Gott selbst, der Schöpfer, der Kreator, in der Fokus des Nachdenkens. Wenn Arbeit kreativ, schöpferisch ist, dann ist gute Arbeit Teilhabe am Schöpfungswerk Gottes.
Tatsächlich wird uns Gott ganz am Anfang der Bibel als Arbeiter vorgestellt. Gott schafft. Gott arbeitet bei der Erschaffung der Welt; so hart, dass er einen ganzen Tag braucht, um sich von dieser Arbeit auszuruhen. „Am siebten Tag ruhte Gott“ heißt es.
Die Welt unserer Tage ist wiederum anders geprägt als vor 150 Jahren. Die Knochenarbeit von früher erledigen heute meist Roboter und Computer. Im Vordergrund steht nicht mehr das Bedienen von Maschinen, sondern das Beherrschen von Produktions- und Dienstleistungssystemen. Dabei bedroht eine neue Art von Gefahr das Menschsein: nämlich nicht mehr die Erniedrigung, sondern die Selbstüberschätzung. Die moderne Technik verleitet zu Allmachtgefühlen. Dadurch verliert man den Boden unter den Füßen, vergisst, dass man nur Mensch ist, hebt ab und landet dann hart auf dem Boden der Realität. Die scheinbare Beherrschung der Systeme entpuppt sich dann schnell als totaler Gehorsam und Ausgeliefertsein an Logarithmen und Prozesse. Auch das ist menschenunwürdig.
Was ist nun menschenwürdige Arbeit? Allgemein gesagt: Arbeit wird menschenwürdig, wenn wir
a) auf Gott hören und
b) die Mitmenschen achten. So wie es im Doppelgebot der Liebe heißt.
Im Besonderen wird Arbeit menschenwürdig, wenn wir sie nicht als Ausnahmesituation betrachten, sondern als wesentlichen Bestandteil unseres Lebens. Vor einigen Jahren sprach man viel von work-life-balance, auf Deutsch: ausgeglichenes Verhältnis zwischen Arbeit und Leben. Inzwischen hat man im Management gemerkt, dass das Unsinn ist. Man kann nicht entweder leben oder arbeiten. Deshalb spricht man heute eher von work-life-integration, was heißt: Arbeiten und leben geht in eins. Dieser Begriff der Integration kommt der menschenwürdigen Arbeit schon nahe. Allerdings muss man dabei beachten, dass Arbeit mehr ist als Erwerbsarbeit. Es wäre furchtbar, wenn wir bei allem, was wir tun, fragen würden: „Was krieg ich dafür?“
Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung KAB, die übrigens aus den Josefsvereinen entstanden ist, spricht deshalb von einer Triade der Arbeit und stellt dabei die drei Bereiche: Erwerbsarbeit, Arbeit im privaten Rahmen und ehrenamtliche Arbeit gleichberechtigt nebeneinander. Anders gesagt: Familie, Verein, Job, all das ist Arbeit. All das ist Leben. All das ist Kreativität und Teilhabe am Schöpfungswerk Gottes.
Ich denke, der hl. Josef würde das genauso sehen, denn er hat auf Gott gehört und danach gehandelt. Er hat auf die ihm anvertrauten Menschen geachtet und gesorgt, dass es ihnen gut geht. Dies tat er in Beruf, Familie und Öffentlichkeit.